Eine Entsublimierung
Roman
196 S., fadengeheftet, mit Klappen, 2021
ISBN 978-3-89086-638-3
"Ich würde duschen, dachte ich, doch bevor ich den Kaltwasserhahn öffnen konnte, sank ich in einen dunklen Abgrund, wie ich es schon früher hatte, wo ich die Leute sehe, die bald sterben, wo ich aufwachen will und nicht aufwachen kann, weil ich wach bin und zu träumen meine. Irgendwann brauste Branco mich ab, legte mich im Zimmer aufs Sofa und zog die Vorhänge zu. Er war meine Anfälle gewohnt. Ohne ihn wäre ich längst tot."
Ein erfolgreicher deutscher Dichter will im Grand Hôtel einige Tage mit einem Jungen eine Amour fou geniessen. Anders als in Thomas Manns Meisternovelle "Der Tod in Venedig" kommt in Martin Franks "Venedig, 1911" jedoch auch Tazio zu Wort.
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"Ich sage Ihnen, dass ich es oft sterbensmüde bin, das Menschliche darzustellen, ohne am Menschlichen teilzuhaben."
Thomas Mann
"Auf artifiziell höchster Ebene vermittelt Martin Frank nach Luchino Visconti und Benjamin Britten einen weiteren fiktiven Zugang zu Thomas Manns Novelle."
Bernhard Albers
~Leserbrief eines Autors~
Lieber Martin!
Vielen Dank für die Sechs Liebesgeschichten, die gut angekommen sind. Danke auch für die Widmung. Zuerst habe ich aber den Spannteppichjungen gelesen. Die Story hat die gleiche Struktur wie das Venedig-Buch. Erzähler ist der Lustknabe, sein Liebhaber ist aus einer extrem anderen Gesellschaftsschicht. Sowohl Erzähler wie auch der Liebhaber sind in beiden Büchern nicht durchweg sympathisch. Im Venedig-Buch funktioniert es bessser, finde ich, weil dort mehr Fiktion im Spiel ist und mehr Anspielungen möglich sind, die den belesenen Leser erfreuen.
In der frühen Erzählung wird "real erzählt", aber die Story ist es auch wieder nicht. Schon etwas unwirklich. Vielleicht zu viel Rolls Royce und Superluxus. Die Lustknaben sind ja ziemlich parfümierte Klamotten-Freaks. Die Sprache des Erzählers entspricht mehr dem Jugend-Slang der frühen 80er, wirkt heute etwas monoton auf mich mit den immer gleichen Sätzen und Floskeln. Damals war es bestimmt provokativ. Etliche der "Gedichte" haben was in ihrer Privatheit und Einfachheit - sie gefallen mir. Vom Erzählungsband habe ich die ersten beiden Geschichten gelesen und muss jetzt ein Päuschen machen und mich einer Pflichtlektüre widmen.
Du bist sicher noch verreist - ich wünsche Dir eine gute Zeit.
Herzlich grüßt: Dein Peter -