Dove, Richard

*(1954, Bath)

 

Über Richard Dove:

Richard Dove, geb. 1954 in Bath, Studium der Germanistik in Oxford, lebt mit Unterbrechungen seit 1981 in Bayern, zunächst in Regensburg, seit 1987 in München. Herausgaben (u.a. unveröffentlichte Gedichte aus Friedrich Rückerts Nachlass sowie zwei Sammelbände mit Übertragungen von Gedichten Michael Hamburgers), Übersetzungen (u.a. Ernst Meister, Not Orpheus), und Aufsätze zur Poesie (in Arbeit ist die anekdotische Poetik Die Altersflecken der Sappho. Bruchstücke einer Poesiegeschichte). Seit seiner ersten, noch englisch geschriebenen Sammlung Aus einem früheren Leben (deutsch u.a. von Ulrike Draesner, H. M. Enzensberger, Gerhard Falkner, Friederike Mayröcker, Joachim Sartorius) veröffentlichte er fünf Gedichtbände: Farbfleck auf einem Mondrian-Bild (2. Auflage 2004), Am Fluß der Wohlgerüche (2008), Syrische Skyline (2009), Straßenbahn, Hiroshima (2011), Die zwei Jahreszeiten (2016).

Stimmen zu Richard Doves Lyrik:

“Richard Doves Gedichte ähneln kleinen Peilungsapparaturen, die das Chaos der Oberfläche erkunden und zugleich den feinen Stimmen der Tradition lauschen.” (Nico Bleutge, Süddeutsche Zeitung)

 

“Das ist eine sehr gute Poesie, offen für ‚alles’.” (Eugen Gomringer)

“Dove bezieht sich nicht auf Tradition, um mit ihr zu prunken: Anspielung ist ihm vor allem Spiel. Er ist ein Liebhaber der Formen und Vernetzungen.” (Harald Hartung, Frankfurter Allgemeine Zeitung)

“Was Dove im Spiel mit großen Klassikern vollführt, ist durchaus exemplarisch für die zeitgenössische Lyrik, die sich nicht im luftleeren Raum entwickelt, sondern intensiv mit ihren Vorläufern und Vorbildern auseinandersetzt. Tabus gibt es dabei keine. Selbst ein so alter und geronnener Kanonautor wie Andreas Gryphius wird nicht von radikalen Aktualisierungen verschont.” (Björn Hayer, Die Tagespost)

“Diese Gedichte packen unsere Zeit an der Gurgel und strecken gleichzeitig Hände nach Tröstendem aus.” (Tuvia Rübner)

“Die Fähigkeit, Orte intensiv zu berühren, viele epiphanische Bilder.” (Joachim Sartorius)

“Der Aufenthalt im Unbekannten schärft den Blick: Dove notiert in seinen Gedichten den Zusammenstoss von Geschichte und globalisierten Zeichen.” (Martin Zingg, Neue Zürcher Zeitung)

Werk

Dove, Richard

Am Fluß der Wohlgerüche

Dove, Richard

LTB 140 - Bei Anruf Klopstock

[…] Sonst verkehrte sich deine erhabene Sicht in ihr Gegenteil:

Ironie, Sarkasmus, zur Not ein pragmatisches Grinsen -

Antwort auf schier nicht vorstellbare Kriege, auf Kapitalismus.

Unsere Smartphones ermöglichen zwar ein quasi „nahtloses“

Sich-Verständigen, doch wer würde, wie du einst, es wagen,

den unermesslich Fernen, einfach so, anzurufen?

Sorry, die Leitung ist schlecht, profan zugeklebt meine Ohren.

Nur in der niederen U-Musik überlebt locker dein Anruf

in den Entgrenzungsversuchen der bleiernen Zeppeline,

oder der rollenden Steine (bevor sie nur noch Moos ansetzten),

auch noch im Aufruf, gegen die Maschine zu wüten … […]

aus dem Titelgedicht Anruf bei Klopstock

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Bei Anruf Mord heißt es in Hitchcocks Welt; in Bei Anruf Klopstock wählt Richard Dove K statt M, aus dem Bedürfnis heraus, über die schiefen Zeitläufe mit dem Meisterdichter, quasi dem Heavy-Metal-Star des 18. Jahrhunderts, anlässlich seines 300. Geburtstags ein Stück weit ins Gespräch zu kommen. Mitunter durch Verwendung von Kommunikationsformen wie Hexameter oder alkäische und asklepiadeische Ode, die dem seraphischen Hymniker vertraut wären. Berichtet wird in sieben Gesprächsanbahnungen von der Enge eines arg säkularen Lockdowns (I), von der Verstrickung in die zu seiner Zeit kaum vorstellbare Stacheldrahtsprache zeitgenössischer Kriegsführung (II), sowie von Ausbruchsversuchen in den (von Edward Said in der Zwischenzeit dekonstruierten) „Orient“ arabisch-persischer Ghaselen (III), in weinselige und numinose Scheinwelten (IV & V), in die Un- bis Überpersönlichkeit von Internet-Collagen (VI) und, zu guter Letzt, in postcelansche Lieder „jenseits der Menschen“ (VII). Auch wenn das Telefonat zwangsläufig fehlschlägt, entsteht immerhin ein Nachdenken über das Gefälle zu einer recht anders gearteten Epoche.

Dove, Richard

Unterwegs nach San Borondón

Unterwegs nach San Borondón
Wer war ich, was bezweckte meine Reise? / An Ceuta fuhren wir vorbei, der Zaun, / An dem Flüchtlinge hingen, klirrte leise
Hinüber nach Gabeltariq. Das Grau'n / Des Abendlandes lichtete sich ein Stück, / Gedämpft die Galgenschreie des Alraun.
Sein Himmelsgewölbe nahm Atlas zurück, / Fad schmeckte uns die Hesperidenfrucht. / Atlantiswärts wendeten wir den Blick,

Ergaben uns treuherzig unsrer Sucht. / Das Kreuz des Südens strahlte uns entgegen, / Das eigne Firmament schwand in der Schlucht ...

(Auftakt des Titelgedichts)

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"Der polyphone Klang von Richard Doves Lyrik verdankt sich vor allem der Kunst, ein der Oberfläche abgelauschtes Vokabular und die Stimmen der literarischen Tradition in genaue Bilder aus 'Byrons Gruft' zu verwandeln." - Nico Bleutge, Neue Zürcher Zeitung
"Unterwegs nach San Borondón ist der reichste Gedichtband, den ich seit langem gelesen habe. Ich habe fast den Eindruck, man könne heute ehrlicherweise nur so noch Gedichte schreiben: nach allen Seiten im Gegenwartsraum und in die Vergangenheit offen, Stimmen von überallher empfangend, aus ihrem Echo die eigene Stimme findend." - Albert von Schirnding
Hier finden Sie weitere Informationen über den Gedichtband und den Zyklus, sowie weitere kritische Stimmen.