[…] Sonst verkehrte sich deine erhabene Sicht in ihr Gegenteil:
Ironie, Sarkasmus, zur Not ein pragmatisches Grinsen –
Antwort auf schier nicht vorstellbare Kriege, auf Kapitalismus.
Unsere Smartphones ermöglichen zwar ein quasi „nahtloses“
Sich-Verständigen, doch wer würde, wie du einst, es wagen,
den unermesslich Fernen, einfach so, anzurufen?
Sorry, die Leitung ist schlecht, profan zugeklebt meine Ohren.
Nur in der niederen U-Musik überlebt locker dein Anruf
in den Entgrenzungsversuchen der bleiernen Zeppeline,
oder der rollenden Steine (bevor sie nur noch Moos ansetzten),
auch noch im Aufruf, gegen die Maschine zu wüten … […]
aus dem Titelgedicht Anruf bei Klopstock
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Bei Anruf Mord heißt es in Hitchcocks Welt; in Bei Anruf Klopstock wählt Richard Dove K statt M, aus dem Bedürfnis heraus, über die schiefen
Zeitläufe mit dem Meisterdichter, quasi dem Heavy-Metal-Star des 18. Jahrhunderts, anlässlich seines 300. Geburtstags ein Stück weit ins Gespräch zu kommen. Mitunter durch Verwendung von Kommunikationsformen wie Hexameter oder alkäische und asklepiadeische Ode, die dem seraphischen Hymniker vertraut wären. Berichtet wird in sieben Gesprächsanbahnungen von der Enge eines arg säkularen Lockdowns (I), von der Verstrickung in die zu seiner Zeit kaum vorstellbare Stacheldrahtsprache zeitgenössischer Kriegsführung (II), sowie von Ausbruchsversuchen in den (von Edward Said in der Zwischenzeit dekonstruierten) „Orient“ arabisch-persischer Ghaselen (III), in weinselige und numinose Scheinwelten (IV & V), in die Un- bis Überpersönlichkeit von Internet-Collagen (VI) und, zu guter Letzt, in postcelansche Lieder „jenseits der Menschen“ (VII). Auch wenn das Telefonat zwangsläufig fehlschlägt, entsteht immerhin ein Nachdenken über das Gefälle zu einer
recht anders gearteten Epoche.