RTB 095 – Wir Außenseiter

Peter Huchel, auch er ein enger Freund von Mayer seit DDR-Tagen, gab mir den Tipp: «Mit Hänschen ist es ganz einfach, sie müssen ihm jeden Tag ein Kompliment machen, dann ist er reizend.» Das stimmte; er war reizend, ich hatte nie Schwierigkeiten mit ihm und er mit mir hoffentlich auch nicht. «Doch mit dem Kompliment ist das nicht so einfach,» erklärte ich Huchel: «Neulich hielt er einen brillanten Vortrag, frei natürlich, vor dem Plenum der Akademie. Als er das Podium verließ, stieß ich pflichtschuldigst als sein Sekretär auf ihn zu, um zu sagen: Sie waren großartig. Doch bevor ich das sagen konnte, sagte er: War ich nicht großartig? In der Tat, er war großartig.»

Hans Dieter Zimmermann

RTB 098 – Minotaurus vernichtet alle, die ihm nahekommen

LTB 108 – Augen auf. Augen zu

rasende Gedanken /
luzide auf der /
Wäscheleine schwanken

«Die Gedichte von Ria Endres sind traditionsbewußt und zwar auf eine besondere Weise: [sie] enthalten Botschaften, die […] nur von ihr entziffert werden können.»

Lorenz Jäger, FAZ

Die FAZ veröffentlichte am 12. April 2016 im Feuilleton (Literatur und Sachbuch) unter dem Titel «Vater, Mutter, Kommunionkind. Die Rätsel einer persönlichen Geschichte» eine Rezension von Lorenz Jäger.

Am Erker, Zeitschrift für Literatur, veröffentlichte unter dem Titel «Ein Fleck, ein Heft, ein Gedicht» eine Rezension von Rolf Birkholz.

Im halben Licht

“Dieses einerseits Bewundert-­, andererseits Gehasst­-Sein, mal willkommen, mal bloß geduldet, mal befreundet, mal befremdet, immer wieder Vertrieben­-und­-Verjagt­-Sein, von Zeit­-zu­-Zeit­Gemordet­-Werden und aus unbeschreiblicher Lebenskraft und Hart­näckigkeit immer wieder Aus-­BracherErde­-Hervorsprießen von uns Juden, von denen im Laufe der Jahrhunderte mehr das Judentum verlassen haben als ihm treu geblieben sind – die meisten bitterarm und eine Minderheit vermögend und schwerreich, «wirt­schaftswichtig» – dieses «Geschick», nämlich der rote Faden, der erst im Nachhinein als die Geschichte durchlaufend erkannt werden kann und dem der Zionismus ein Ende bereiten wollte – wird für mich mit zunehmendem Alter immer unverständlicher, aber fühlbarer.” – Tuvia Rübner

~~~

Entsetzlich, dass

Entsetzlich


dass entsetzlich


nicht entsetzlich ist

*

Entsetzen


dass Entsetzen


nicht entsetzt

LTB 104 – H I Q

Jest dom, w którym śpi
król księżyc, konkubiny
i koniczyna.

Ein Haus, dort schlafen
König Mond, die Konkubinen
und der grüne Klee.

LTB 109 – Im freien Fall

Kein Zweifel

Noch einmal kommt man so


leichtfüßig nicht mehr davon


mit den Flügelschuhen des Hermes


und seinen ausgetüftelten Tricks,


die geborgten Tage im Rucksack,


der stündlich gewichtsloser wird.


Bald fällt er lautlos von den Schultern


eines Skeletts, das ich nicht


wiedererkenne.

RTB 100 – Der Mensch ist nichts

Hubert Fichte (1935–1986) ist einer der bedeutendsten deutschen Schriftsteller der Nachkriegszeit.

Inhalt:

1 Hans Henny Jahnn

2 Die zweite Schuld

3 «Wir können nicht lieben.»

4 Leonore Mau

5 «Leben, um eine Form der Darstellung zu erreichen.»

6 Die Edition

7 Marcel Proust

8 Im Feuilletonzeitalter

9 Agadir

RTB 097 – Briefe an Kaspar Niklaus Wildberger

Letzte Erwartung

Die Treppe knarrt. Ich halt den Atem an.
Vielleicht kommt jemand jetzt zu mir:
ein Weib ein Kind ein obdachloser Mann.
Ich steh und warte hinter meiner Tür.

Mein Herz schlägt lauter als im Augenblick
da mir zum Kuß sich erster Mund genaht.
Wer jetzt hereinkommt ist mein letztes Glück,
ist die Erfüllung die ich oft erbat.

Wer du auch seist, komm nur geschwind herein,
hörst du die Glocke meiner Sehnsucht nicht;
hörst du nicht einer Seele Hilfeschrein,
die hinterm Türschloß Einsamkeit zerbricht?

 

aus: Wieder zu Haus; Klage und Bericht 4

LTB 110 – Englischsprachige Gedichte

Mutter

Jede Faser meines Herzens strebt dir zu geben /
Versalien von Sternen, um deinen Namen zu schreiben /
in das Sternenbild mütterlicher Leben. /
Ob zur Zeit von Krieg oder in Friedenszeiten: /
Stets verströmte Gelassenheit dein Wesen. /
Auch das Geringste was um dich vorging, /
war aus deinen Gesten, deiner Haltung abzulesen. /
Zwischen Wirklichkeit und Traum dein Leben hing. /

Doch du bist verhüllt. Dein Gesicht, so tief im Schatten, /
wirkt schmal und fahl. Du und meine Lettern verblassen. /
Wo sind die Sterne? Wo ist deine Gelassenheit? /
Ich bin unwürdig dich zu beschreiben. Ich habe /
Versagt, buchstabiere dich mit Tränen am Grabe. /
Du stehst zwischen Traum und Wirklichkeit.

Während Rose Ausländers letzten Aufenthaltes in New York von 1946 bis 1964 entstanden zwischen 1948 und 1956 über 200 englische Gedichte, die auch in der angelsächsischen Welt große Anerkennung fanden. Sie liefern den Schlüssel, um die Veränderungen im Schreibstil bei den deutschsprachigen Gedichten ab 1956 zu verstehen.

fixpoetry veröffentlichte am 22. Juli 2016 unter dem Titel «With music of machines, trains, planes» eine Rezension von Martin A. Hainz.

Liebstes Fräulein Moore – Beautiful Rose

Rose Ausländer und Marianne Moore

 

In Deutschland war das Frühwerk von Rose Ausländer, welches sie bis 1944 geschaffen hat und auch ihre englischen Gedichte, die von 1948 bis Mitte 1956 entstanden, lange Zeit unbekannt. Erst als zwischen 1984 und 1990 das Gesamtwerk publiziert wurde, konnten sich die Leser ein Bild von den frühen Gedichten machen und es war die Dichterin selbst, die 1971 in dem Text Alles kann Motiv sein auf ihre englische Lyrik hinwies. «Nach mehrjährigem Schweigen überraschte ich mich eines Abends beim Schreiben englischer Lyrik. […] Viele jener Gedichte sind in amerikanischen Literatur­zeit­schriften erschienen, manche hat der Rundfunk WEVD gesendet. Warum schreibe ich seit 1956 wieder deutsch? Mysteriös, wie sie erschienen war, verschwand die englische Muse». Erst im Nachlass der Dichterin fanden sich 193 englische Gedichte und etwa 50 nicht zu Ende geführte Fassungen.

Dieses Buch und die gleichnamige Ausstellung spüren den Gründen für das englische Schreiben von Rose Ausländer nach, zeigen Manuskripte und Typoskripte, verweisen auf amerikanische Vorbilder, versuchen eine Einordnung der Bedeutung des neu­gefundenen Stils des Schreibens nach der Rückkehr in die deutsche Muttersprache und zeigen, welchen Einfluss die ameri­kanische Poetin Marianne Moore durch die Zusammenarbeit während einer Writers Conference und durch den folgenden Brief­wechsel auf diese Entwicklung nahm.