Zögen von hier die Schwäne
und mit ihnen ihre Nennungen alle,
ihre weißen Gesamtheiten,
ihre Seelen, ihre Seme, ihre Vorstellung,
zwischen Krähe und Krähe
fütterten wir ihre Abwesenheit.
Zögen von hier die Schwäne
und mit ihnen ihre Nennungen alle,
ihre weißen Gesamtheiten,
ihre Seelen, ihre Seme, ihre Vorstellung,
zwischen Krähe und Krähe
fütterten wir ihre Abwesenheit.
hochauflösendes fernweh
nipkow teilt seine eltern in linien, zeilen, punkte, setzt licht
in den draht, baut weiter an morses apparat. dreißigzeilig
tastet sie die eltern ab, die drehende scheibe. weihnachten
1883. die augenbrauen hoch aufgeschossen schneidet sie
vom gesicht. die nase, der mund, das kinn kippt, fällt ins bild
der empfänger zieht schatten in punkten heran. die eltern
sitzen an der scheibe traurigen rändern kreisen die augen
werden von farben nicht satt. die eingabe, die ausgabe birgt
lücken im rhythmus laufen die achsen, die augen saugen
den schattenriss an. portraits wachsen, verlöschen in nipkows
gesicht. ihr bestand verwirrt seinen blick. nipkow
kürzt entfernungen, wenn die scheibe seine iris fixiert.
Das Regelwerk der gebundenen Sprache ist in Frankreich nie aufgegeben, sondern weiterentwickelt und verfeinert worden; für Verlaine und die beginnende Moderne von entscheidender Wichtigkeit. Diesen Rezepten folgt vorliegende Neuübersetzung: Nach den Sammlungen bis Sagesse (Bd. 1) liegen nunmehr auch Jadis et Naguère, Amour und Parallèlement erstmals vollständig vor. Einige Titel und das Vorwort von Joris-Karl Huysmans aus dem Jahr 1904 erschienen vorab in Sinn und Form.
Romanische Forschungen sprach von einer bewundernswerten Übersetzungsleistung, die den Dichter beim Wort nehme und in dessen jeweiligem Sprachregister verbleibe: „Wohltuend schnörkellos, frisch und unverbraucht wirken diese Verse in der Diktion Stückemanns.
Er gerät nicht in die Versuchung, Verlaine seine eigene Tonart aufzuzwingen“ (S. Gramatzki). Auch Kritische Ausgabe (M. Preidel) würdigte die „Abkehr vom Herzschmerz“; die einen neuen Ton anschlage. Nach Lyrikgesellschaft (M. Ackermann) sei das Erfrischende, dass diese „musikalisch-übertragende, inhaltlich möglichst wortgetreue Näherung, soweit sie im Deutschen irgendwie möglich ist, […] am genauesten (auch in rhythmischer Hinsicht) das wiedergibt, was Verlaine schreibt.“ Die Revue Verlaine (B. Degott) zog den Vergleich zu Stefan George: „c’est ne pas faire injure au grand poète que de préférer la seconde version“ und reihte „cette poésie en vers qui ignore les frontiers de l’espace et du temps, d’abord qu’elle prend racine dans la tradition, ensuite et surtout parce qu’elle delivre […] absolument“ (ebd.) in die schmale Kategorie der poetologisch bedeutsamen Übersetzungen ein.
“Über dem Kliff” ist eine Kriminalgeschichte, kombiniert mit einer Satire auf die Künstlernovelle.
Sehnsucht nach Isolation als Quelle schöpferischer Kraft, verstörte Sexualität und pseudointellektuelle Auseinandersetzung mit Kunstproblemen sowie die Projektion von Konflikten der eigenen Psyche in die Gottsuche werden schonungslos entblößt. Entstanden ist ein Text, der zum Besten gehört, was Gregor von Rezzori, im Ausland vielfach preisgekrönt, den Ruf eines der bedeutendsten Schriftsteller der Gegenwart eingetragen hat.
„Nun war dieser lässige und elegante Sprachkünstler, der ganz nebenbei seinen beissenden Spott über alles und jeden ausbreiten konnte, in der biederen deutschen Literaturgesellschaft tatsächlich schwer vorstellbar, zumal Grischa, wie sich später herausstellte, in Deutschland eine «Spur der Verwüstung» hinterlassen hatte: Sein Konto für Beleidigungen, Schulden und andere Kavaliersdelikte war heillos überzogen. Am Ende wusste nicht einmal er selber mehr zwischen Wahrheit und Fiktion zu unterscheiden: «Er liess sich bei Flunkereien ertappen, die tatsächlich darauf zielten, seiner Herkunftsgeschichte einen Glanz zu geben, der schwerlich Glaubwürdigkeit beanspruchen konnte», hat er später geschrieben.“
Michael Krüger
Die zunächst meist unfreiwillige Suche des Einzelnen nach seiner Identität und die fast stets ernüchternde Konfrontation mit dem eigenen Ich durchziehen beinahe alle Texte Flinkers, welche dadurch existentielle Erkenntnisse in soziologischer und psychologischer, in politischer und poetologischer Hinsicht vermitteln, die über die Zeit ihrer Entstehung und Veröffentlichung weit hinausreichen.
Inhalt:
Der Traum
Der Reisende
Erlebnis in der Nacht
Die Stimme
Nachwort: Jenseits von Traum und Traumata – Robert Flinkers Erzählungen
Plüschows Fotos zeugen, bei genauer Betrachtung, von einer Auftragstätigkeit als Bildlieferant. „Als gewerblich tätiger Berufsfotograph war Plüschow im römischen „guida Monaci“ von 1901 bis 1909 verzeichnet.“. Neben Porträtaufnahmen fertigte er vornehmlich Aktaufnahmen an.
Ákos Györffy wird von vielen als pantheistischer Dichter angesehen. Im Lyrikband Schneefall in Amiens entführt er den Leser zu traumhaften Touren in imaginierte Landschaften, eigentlich seine Lieblingsgebiete: Flussufer, von der Natur zurückeroberte Täler, der verlassene Weinberg, die menschenleere Meeresbucht – Koordinaten, zwischen denen es sich noch lohnte zu leben. Er befasst sich mit den quälendsten Fragen des Menschen in einer seiner unwürdigen Welt, sucht nach Ursachen und Verantwortlichen, weist Wege des Ausgangs. Den Gedichten wohnt Ehrlichkeit, Einfachheit, Schlichtheit inne. Mit leisen, zur Meditation anregenden Gedichten haben wir es hier zu tun.
Die Tochter des Glasbild-Fabrikanten
Immer in der Nacht,
wenn sie in weißer Seide
über das mondne
Katzenkopfpflaster des Innenhofs
schreitet und
alle Uhren im Hause verstummen,
ziehen dreißig Künstler
ihre schwarzen Tellerhüte
und malen ihr Bild
in die Madonnen ihrer Glasfenster;
breitwangig,
mit dem Duft hellweißer Oblaten;
die Augen aber,
in Malvenwasser gebadet,
innen ganz blau,
und die Arme malen sie
rund, französisch kalt,
wie auch die Nächte sind,
wenn sie im weißen Kleid
den Innenhof durchschreitet
und zurückschaut.
Sie sieht nicht,
wie am Apfelbaum
das violette Blut entlangläuft
Unterwegs nach San Borondón
Wer war ich, was bezweckte meine Reise? /
An Ceuta fuhren wir vorbei, der Zaun, /
An dem Flüchtlinge hingen, klirrte leise
Hinüber nach Gabeltariq. Das Grau’n /
Des Abendlandes lichtete sich ein Stück, /
Gedämpft die Galgenschreie des Alraun.
Sein Himmelsgewölbe nahm Atlas zurück, /
Fad schmeckte uns die Hesperidenfrucht. /
Atlantiswärts wendeten wir den Blick,
Ergaben uns treuherzig unsrer Sucht. /
Das Kreuz des Südens strahlte uns entgegen, /
Das eigne Firmament schwand in der Schlucht …
(Auftakt des Titelgedichts)
“Der polyphone Klang von Richard Doves Lyrik verdankt sich vor allem der Kunst, ein der Oberfläche abgelauschtes Vokabular und die Stimmen der literarischen Tradition in genaue Bilder aus ‘Byrons Gruft’ zu verwandeln.” – Nico Bleutge, Neue Zürcher Zeitung
“Unterwegs nach San Borondón ist der reichste Gedichtband, den ich seit langem gelesen habe. Ich habe fast den Eindruck, man könne heute ehrlicherweise nur so noch Gedichte schreiben: nach allen Seiten im Gegenwartsraum und in die Vergangenheit offen, Stimmen von überallher empfangend, aus ihrem Echo die eigene Stimme findend.” – Albert von Schirnding
Hier finden Sie weitere Informationen über den Gedichtband und den Zyklus, sowie weitere kritische Stimmen.
nachtspiel
deine beobachtung schafft sterne, geschliffene bilder, einen mond
dessen schatten dem meer folgt. hörst du den himmel rauschen
über dem horizont weht ein verlassener wind, fordert die bewegung
des schlafs, auf dessen planken du stehst und in die träume einbrichst
träge zieht das schiff seine bahn, wenn dir die kugel ins glas sinkt
treiben umher weithin verstreute horizonte, gekreuselte wellen
wasser, das abfließt, zurückkehrt, sich türmt. zugvögel schlagen die luft
unter ihren flügeln dreht sich der wind. es ist das ufer, das sich bewegt
bleibt nur die sonne im hafen. weit hinter den schlaf gefallen
verbrennt sie die dunkelheit.