Celan Studien (Neue Folge) 04 – Paul Celan. Erinnerungen, Dokumente, Briefe

Die hier gewiß nur bruchstückhaft mögliche Darlegung der Bedingungen, die Paul Celans Dasein prägten, soll in etwa das Wissen skizzieren, das ich damals besaß, als ich Celan zum ersten Mal traf. Denn nur wenn verständlich ist, was ich von Celan, seinem dichterischen Werk und den Anfeindungen, denen er ausgesetzt war, wußte, wird die Situation nachvollziehbar, in welcher sich die Begegnung seinerzeit abgespielt hat.

 

 

 

 

Straßenbahn, Hiroshima

Sommermorgen, drückende Schwüle, Gequake von Fröschen /
In den Reisfeldern. Diesig, Konturen sind nicht zu erkennen. /
Glitzernde Blätter im Garten, ein Haiku von Altmeister Bashō, /
Eines Flugzeugs Motorenlärm und Zikadengesurre. /
Äquivalénz / spréng / kráft: Molossós für stärkere Nerven … /
Im Fall Uran rund zweihundert MeV/Spaltereignis … /
Bei der Abbremsung der Spaltbruchstücke entsteht Energeia: /
Ist n größer als 1, werden aus dieser ersten Spaltung /
Neue Spaltneutronen freigesetzt, die dann auch weitre /
Reaktionen auslösen; in nur einer Millisekunde /
Schaukelt sich, gleichsam lawinenartig, dieser Effekt hoch … /
«Beispiellos wäre, erhaben schön, die Wirkung zu nennen.» /
Pornographie? «Wir alle sind nun Hurensöhne.» /
Hinter der Gartenmauer blitzt plötzlich ein schreiendes Licht auf, /
Wie eine zweite Sonne doch stärker, gewaltiges Blitzlicht, /
Gelblichweiß, magnesiumweiß, und die Steinlaterne, /
Die dem Mond keine Konkurrenz ja bieten darf, leuchtet – /
Offenbarung zum Frühstück – geradezu apokalyptisch. /
Daidai, saure Orange, im Garten: Die eine Seite, /
Dem Epizentrum am nächsten, ist gleich nur noch bittere Schlacke; /
Sandstein-Buddha, das linke Auge, die linke Wange /
Schwarz, wie von einem Napalmklümpchen jäh angefallen.

LTB 072 – Der Nobiskrug

Das Überlebensmotto der Bukowiner Dichter Weißglas, Kittner und Rosenkranz in den Todeslagern war die Überzeugung, «daß die in der Erde der Sprache Wurzelnden nimmer gefällt werden können.» Sie waren in Bezug auf Celans Büchnerpreisrede wie «lebende Bücher» – sie lebten und überlebten mit und für ihre Gedichte. Selten hatten sie Schreibutensilien. Doch schrieben und memorierten sie weiter unter unmenschlichsten Bedingungen. Der klassizistische Stil und der «unendliche Besitz der deutschen Sprache» halfen folglich, «den Spund jenes inneren Schreis, den wir, mundgerecht, Gedicht nennen» (Weißglas), zu formulieren. An den konventionellen Formtypus, der ihnen das Überleben in der Unmenschlichkeit gesichert hatte, hielten sie auf den zweiten Blick nicht ungebrochen fest. Es fällt nämlich auf, daß durch ungewöhnliche Reime und Wortwahl eine Hamonie immer wieder in Frage gestellt wird.

 

 

 

 

Aqualand

“Allein die kunstvolle Konstruktion, in der die Zeitebenen, Orte und Perspektiven in einen gemeinsamen Fluß geraten, ist die Lektüre wert. Kröhnke beweist, daß man mit modernen Mitteln durchaus eingängig und spannend erzählen kann.”

– Stefan Sprang, Deutschlandradio

“Einfach ein schönes Buch”

– Burkhard Scherer, FAZ

Lichtschatten

«Lichtschatten» ist ein Buch voll von Paradoxen, aber je älter Rübner wird, desto leichter und klarer, ja selbst heiterer werden seine Verse: als wäre das Gedicht selbst ein Ausweg aus der auswegslosen Symmetrie des Paradoxes.

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Albtraum

Er ist gefangen.


Die Bösen wollen sein Herz.


Wollen sein Herz verschachern.


Entflieh! Ich flehe, entflieh! Rasch! Komm! Komm zu mir!


Er entflieht, er entflieht, er kommt rasch zu mir.


Er entflieht nicht. Er kommt nicht zu mir.

Kaum spürbare Helle


sickert ins Dunkel des Zimmers.


Ein Hund jault.


Ein Rascheln.


Bin ich wach?


Bin ich wirklich wach?

Grünhorns Blues. Alfred Gong – lebendig in Wort und Musik

Anlässlich des 90. Geburtstages des Dichters hat die Alfred Gong Gesellschaft e.V. eine CD mit dem Titel «Grünhorns Blues: Alfred Gong – lebendig in Wort und Musik» veröffentlicht.

Die CD enthält Lyrik und Prosa Alfred Gongs, rezitiert von dem Schauspieler Helmut Thiele, und Musik des aus Bramsche stammenden und in Berlin lebenden Komponisten Mitsch Kohn.

An der literarisch-musikalischen Revue wirken das Holzbläserquintett «Con Passione» sowie Schüler der (damaligen) Klasse 9 B des Ratsgymnasiums Osnabrück mit.

Kohn selbst ist auf dem Piano zu hören. Für ihn war es wichtig, in die Sichtweise Alfred Gongs einzutauchen und «seine Gefühlswelt nachzuvollziehen und musikalisch auszudrücken.»

In der Suite «Sehnen nach der Bukowina» greift Kohn folkloristische Klezmer-Motive (eine aus dem aschkenasischen Judentum stammende Volksmusiktradition) auf, doch in erster Linie setzt er sich in einer jazzig angehauchten Musik mit Gongs Gedichten auseinander.

Zur CD gehört ein Booklet mit Leseproben sowie Informationen zu Gong und den beteiligten Künstlern.

 

 

 

 

 

 

 

 

LTB 076 – Liebesgedichte

Czernowitzer Ghetto (I)

Die alten Gäßchen ziehn sich eng zusammen. /
Der Boden hinkt und holpert im Zickzack. /
Aus schweren Leuchtern zucken kleine Flammen. /
Der Witz treibt mit dem Unglück Schabernack. /

Die Augen funkeln, doch die Wangen blassen, /
Der Kaftan reißt, die Schläfenlocke bebt, /
Wenn, halb erstickt in seinen Pariagassen, /
Ein Volk noch stöhnend, höhnend weiterlebt. /

Die Mauer fiel vor mehr als hundert Jahren, /
Und dennoch blieben sie im dumpfen Nest. /
Das Elend hielt sie an den Schläfenhaaren /
In ihrem engen alten Ghetto fest.

LTB 026 – Chausseen Chausseen

Die Gedichtsammlung «Chausseen Chausseen», mit der Peter Huchel 1963 in der Bundesrepublik große Aufmerksamkeit erregte, versammelt Texte aus mehr als zehn Jahren. Sie zeigen einen Autor, der einen völlig eigenen Ton gefunden hat. Die Sprache dieser Gedichte ist vielfach lakonisch und drängt zur Verkürzung, doch hat sie auch einen unübersehbar esoterischen und rätselhaften Charakter. Huchel geht also einen ähnlichen Weg wie Günter Eich oder Ernst Meister. Der Gedichtband besteht aus fünf Abteilungen. Schon hieran zeigt sich, dass statt einer beliebigen Sammlung von Gedichten ein sorgfältig komponiertes Ganzes vorliegt. In diesem stehen die einzelnen Texte nicht isoliert nebeneinander, sondern bilden ein enges Beziehungsgeflecht. Es finden sich Hinweise auf die östliche Landschaft sowie die mediterrane Welt und ihre Mythologie.

LTB 015 – Gedichte

Am Strome

Das Spatlicht wandert von der Erde, /
Die Ströme macht es sich zu Brücken, /
Es setzt sich auf die Ackerpferde /
Und reitet fort auf ihren Rücken. /

Zu Rauch verblaßt das Licht der Herde, /
Und Liebe, Leben gehn in Stücken. /
Ach, Städte wandern von der Erde /
Und Völker von der Erde Rücken.

 

 

 

 

 

 

 

LTB 074 – Baum und Träne

Ich schreibe für den Baum vor meinem Fenster, /
und für die Wildtaube, die auf ihm gurrt, /
angesichts des Lächelns der Toten /
und der Tränen derer, die am Leben blieben. /
Baum und Taube, /
Lächeln und Träne /
sind eins.