Die vorliegende Ausgabe nimmt sich vor, das Buchprojekt mit dem Titel Gottes Mühlen in Berlin von Immanuel Weissglas zu rekonstruieren, das 1947 von der Publikation in Bukarest aus unklaren Gründen – sei es politischer, sei es ökonomischer Natur – gestoppt wurde und nie mehr in der geplanten Gestaltung erschien. Daraus wurden im Laufe der Zeit nur einzelne Gedichte zur Veröffentlichung ausgewählt; Weissglas selbst hat zahlreiche Texte zu neuen Fassungen überarbeitet und diese in den Gedichtband Der Nobiskrug (1972) übernommen.
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Totenreigen
Hörst du, im fremden Land, den Totenreigen, /
Der wild zu Erden zieht den letzten Leib? /
Die schwarzen Himmel hängen voller Geigen /
Und jede Wolke ist ein Klageweib.
Die Sterbegeigen haben ihre Grillen, /
Wir zupfen unsre Gräber in die Luft. /
Das Bahrtuch ist die Nacht, dich zu verhüllen, /
Der Mond ein Schädel und der Wind die Gruft.
Hier ist das Grab nicht tief, der Staub gemeiner, /
Und welk das Laub, das deine Locke barg. /
Der Tod ist, wie der Herbst, ein ernster Schreiner: /
Was seiner Hand gerät, ist stets ein Sarg.
Und was ich greife, sind zum Tanz die Saiten, /
Der uns von Lebenden im Taumel schied: /
Dass wir jetzt süss im Arm des Todes gleiten, /
Zur Lieb im Herzen und im Schritt zum Lied.