LTB 080 – Erdichteter Mensch

Klagescherben um einen Freund

Ich schloß dir die Augen. /
Legte die Hände an ihren Platz. /
Deine Fußsohlen blicken mich mitleidig an: /
ich bin entbehrlich. /
Ich finde meine Hände, /
was soll ich mit meinen Händen tun. /
Ich setze die aufgesetzte Mütze auf, /
den geschlossenen Mantel knöpf ich zu. /

Der neue Friedhof ist weiträumig, /
ganz Zukunft. Von nah und fern, pausenlos /
der Singsang der Kantoren. /

Du schweigst, ein wenig verlegen: vielleicht /
ist es ein langer Abschied. /
Die Nägel wachsen langsam, schließen Frieden. /
Die Mundhöhle widerspricht ihrem Schöpfer nicht. /

Jetzt! jetzt! pochen Erdfäuste /
an die Bretter der Falle: /
öffne uns, öffne uns.

LTB 083 – Weg der Steinmalven. Poème collectif II

Rainer Maria Gerhardt hat zum ersten Mal in seiner Zeitschrift «fragmente» das Poème collectif erprobt. Ihm ist dieses Buch gewidmet.

der tod starb /
als er dich sah /
wurde er ein mensch /

sei still ganz still /
ich erzähle dir von ihm /
als ich wurde wie er /

nachts sitzt er auf seinem grab /
und lauscht ob jemand /
etwas sagt

Margot Ehrich

Sebastian Schau,
Margot Ehrich,
Julia Weiteder-Varga,
Hans Weßlowski.

Denkwürdigkeiten eines Antisemiten

Gregor von Rezzoris Bücher sind in der Regel im besten Sinne unterhaltsam, geprägt von Witz, Ironie und scharfer Beobachtungsgabe. Daher war er auch als Autor im Rundfunk und bei Illustrierten erfolgreich. Seit 1960 lebte er in Donnini (bei Florenz), wo er am 24. April 1998 starb. «Ich kann mich hinbegeben, wo ich will», hat der Autor einmal geäußert, «Czernowitz holt mich ein.»

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Als “Pflichlektüre für Demokraten” bezeichnet Sophie Klieeisen den Roman. Zur Rezension: HIER

Der Regenpassagier. El pasajero de la lluvia

Óscar Hahn, chilenischer Dichter mit deutschen Vorfahren, zählt in der spanischsprachigen Welt zu den bedeutendsten Gegenwartsdichtern. Sein Werk wurde vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem chilenischen Altazor-Preis (2003 und 2012), dem spanischen Literaturpreis Casa de América (2006), dem kubanischen Lezama-Lima-Preis (2008), dem Iberoamerikanischen Poesiepreis Pablo Neruda (2011) und dem Chilenischen Nationalpreis für Literatur (2012). Seine Gedichte wurden ins Englische, Griechische und Italienische übersetzt. Die erste deutschsprachige Ausgabe erschien im Frühjahr 2012 im Rimbaud Verlag unter dem Titel Liebe unter den Ruinen. Sie wurde auf einer Lesereise durch sieben deutsche Städte vorgestellt.

Das Interesse an Hahns Gedichten hat den Rimbaud Verlag ermutigt, bereits 2013 einen weiteren zweisprachigen Band unter dem Titel Der Regenpassagier zu veröffentlichen. Dieser enthält eine Auswahl von 50 Gedichten, die aus sechs Sammlungen von 1981 bis 2011 stammen.

Hahns Werk kreist seit seinen Anfängen als Dichter um die Themen Liebe, Tod, Vergänglichkeit, Krieg, Literatur, Kunst, Musik, Philosophie, Psychologie, Erotismus und das Fantastische. Im Unterschied zu Liebe unter den Ruinen liegt im Regenpassagier ein stärkeres Gewicht auf Gedichten, die nach seiner Rückkehr nach Chile – Hahn lebte von 1974 bis 2008 in den Vereinigten Staaten – entstanden sind. Nachdem das deutsche Lyrikpublikum im ersten Band in einer Werkeinführung mit der Dichtung Hahns vertraut gemacht worden war, steht am Anfang dieser Sammlung ein Essay, der Verbindungslinien zwischen dem Werk und der Person des Dichters aufzuzeigen sucht.

Kopf auf dem Hebros

Das «lange Gedicht», von dem Ernst Meister erstmals im Brief an Reinhard Paul Becker (14.2.1956) spricht, gehört nicht zum Konvolut der nachgelassenen Gedichte, den er mit Ilse Demtröder zusammengestellt hat. Entstanden im Umkreis von «Der Südwind sagte zu mir» (1955) und des Dramas «Ein Haus für meine Kinder», unterscheidet es sich durch Umfang und parodistisch-ironische Machart so extrem von Meisters weiterer Entwicklung als Lyriker, daß er es auch nach einer straffenden Bearbeitung 1963/64 wieder und endgültig beiseite legte.

Dieter Breuer

Dieter Breuer war bis zu seiner Emeritierung Professor für Germanistik an der RWTH Aachen.

LTB 085 – Anaptyxis

Es dengelt, /
es dengelt arg, /
und wie ein alter Eichelhäher /
siebt Gott das Licht /
in größter, liebevoller Eile, /
entkernt die Wörter sacht. /

Prasseln, Friede, /
nur diesen Dellen hier /
fehlt ringsum die Fläche.

“In diesem Buch findet man keine Zeile, die nur ornamentale Funktion hat oder ein geläufiges Metaphernrepertoire bedienen würde. Diese Gedichte haben unendlich viele Bearbeitungsstufen durchlaufen, bis sie ihre opak schimmernde Sprachgestalt erreicht haben.”

-Michael Braun im TAGESSPIEGEL

Die vollständige Rezension können Sie hier lesen.

“Wie hier das ›Ich‹ in den Silben nachklingt, wie es sich entfaltet und doch zugleich spürbar werden lässt, es könnte nichts sein als blosse Gischt – das ist eine Kunst für sich, und keine kleine.”

-Nico Bleutge in der NZZ

Kinder- und Jugendjahre mit Elieser Steinbarg

Wir Außenseiter. 33 Jahre Rimbaud Verlag (1981–2014)

Albers – Wir Außenseiter

 

Über den Rimbaud Verlag

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Seit 2020 befindet sich das Archiv des Rimbaud Verlages in der Hand der Berliner Akademie der Künste.
Rimbaud Verlag im Archiv der Berliner Akademie der Künste

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„Bernhard Albers gab 2003 im Rimbaud-Verlag Aachen eine Anthologie heraus: ‚Blaueule Leid. Bukowina 1940-1944‘. Eine wohl dokumentierte Anthologie mit Texten von 23 deutschsprachigen Autoren aus Czernowitz und der Bukowina, die bis 1918 zum Habsburger-Reich gehörte, danach zu Rumänien, heute zur Ukraine. Im Rimbaud Verlag erscheint eine Reihe ‚Bukowiner Literaturlandschaft‘, die mit 100 Titeln abgeschlossen ist.“ […] „Dass Rudolf Hartung, der Lyriker und Kritiker und Redakteur der ‚Neuen Rundschau‘, nicht vergessen ist, verdanken wir dem Rimbaud Verlag, der seine wichtigsten Arbeiten verlegt. ‚Literatur‘, so Rudolf Hartung in seinen Aufzeichnungen, ‚ist jene Berufungsinstanz, vor der der verlorene Prozess des Lebens noch einmal aufgerollt wird.‘ “ […] „Hans Mayer gab diese Rede ‚Wir Außenseiter‘ an den Rimbaud-Verlag in Aachen, ich wiederhole jetzt, was ich über den verschwundenen Neske-Verlag sagte: an einen bescheidenen, aber feinen Verlag, der von dem literaturbesessenen Verleger Bernhard Albers und seinem Freund geschaffen wurde. Mayers Text war der erste eines prominenten Autors, dem weitere prominente Autoren im Verlagsprogramm folgten: Erich Arendt, Ernst Meister und die Akademie-Mitglieder, Jean Améry, Hans Bender, Elias Canetti, Rudolf Hartung. Man könnte sagen, niemand hat diesen Autoren der Abteilung Literatur der alten West-Berliner Akademie der Künste so sehr die Treue gehalten wie der Verleger von Rimbaud.“

-Zimmermann, Hans Dieter: Ein Rückblick auf 80 Jahre. Und was ich der Gruppe 47 verdanke. Erinnerungen. Klagenfurt, 2021.

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Inhalt (Auswahl):

33 Jahre Gespräche

Walt Whitman


Arthur Rimbaud


Georges Rodenbach


Wilhelm von Gloeden


Stefan George


Franz Schreker


Ezra Pound


Georg Britting


Cesar Vallejo


Erich Jansen


Emil Barth


Rose Ausländer


Erich Arendt


Moses Rosenkranz


Ernst Schönwiese


Alfred Kittner


Hans Mayer


Ernst Meister


Alice Koch


K. O. Götz


Rudolf Hartung


Gregor von Rezzori


Max Hölzer


Karl Schwedhelm


Hans Bender


Michael Guttenbrunner


Immanuel Weißglas


Tuvia Rübner


Ilana Shmueli


Elisabeth Axmann


Dagmar Nick


Gerhard Neumann


Joseph Kopf


Heinz-Albert Heindrichs


Hubert Fichte


Margot Ehrich


Ria Endres


Hans Weßlowski


Richard Dove


Reinhard Kiefer


Christoph Leisten


Frank Schablewski


Register

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Weitere Informationen zum Rimbaud Verlag und dem Verlagsprogramm finden Sie hier.


Den Artikel “Die Erfolgsgeschichte des Rimbaud Verlages” aus der Aachener Zeitung (2001) finden Sie hier.


Den Artikel “Im Abseits” aus der Aachener Zeitung (2006) finden Sie hier: Teil 1 und Teil 2

Wunderbarer Wahn

“Die Gedichte dieses Bandes sind alle in meinem 88. und 89. Lebensjahr geschrieben worden. Wenn ich sie jetzt gesammelt sehe, fällt mir auf, wie verschiedenartig sie sind in Ton, Haltung, Aussage.” – Tuvia Rübner

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Klagebaum

In diesem Eden, in dieser Pracht


auglos


sprachlos


schattenlos


mit sechs löchrigen


vertrockneten Blättern


in Öde


gefräßiger Öde


steht


immer noch


mein langsam


gespaltener


Klagebaum

P 14

“… von der ungleichen Liebe zwischen einem promovierten West-Berliner Mittdreißiger und einem Ost-Berliner Jungen …”

– Munzinger Archiv, Ravensburg

“Eine der schönsten Liebesgeschichten, die die deutsche Literatur der letzten Jahre hervorgebracht hat … die Darstellung eines Frühlingserwachens, die dank einer gewissen bukolischen Heiterkeit in der zeitgenössischen Literatur ihresgleichen sucht.”

– Tilman Krause, Sender Freies Berlin

“So läßt sich der Roman auch als sensible poetische Topographie lesen, … eines Stromers, der Atmosphäre einzufangen weiß. Doch zugleich präsentiert Kröhnke … eine wohlkomponierte Romanze im Goldschnitt abendländischer Tradition.”

– Wilhelm Kühlmann, FAZ

“Kröhnke hält uns damit in Atem, daß er … uns zu Sympathisanten einer menschlichen Begegnung macht, der bei allem Außenseiterischen nie die Würde fehlt.”

– Martin Ripkens, Frankfurter Rundschau

“Ein Stück Zeitgeschichte, aber nicht so, wie sie einmal in Geschichtsbüchern vorzufinden sein wird.”

– Esther Bürki, Der Bund, Bern